Soziologe prognostiziert mögliche Zeitrahmen für das Ende des Krieges und beleuchtet die gesellschaftliche Zukunft der Ukraine nach dem Konflikt

Eugen Golovaha, Leiter des Instituts für Soziologie der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine, gab in einem exklusiven Interview mit Alla Kotlyar vom sozialen Bereich von ZN.UA seine Einschätzungen ab.
Er war zunächst davon ausgegangen, dass die aktiven Kriegshandlungen bis 2026 beendet sein könnten.
Doch aktuell sieht er keine ernsthaften Gründe für einen sofortigen Waffenstillstand, da die Wirtschaft des Aggressors bislang keine Anzeichen für gravierende Einbrüche zeigt.
Seinen Worten nach könnte der Krieg nur enden, wenn die russische Seite beginnt, erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten zu erleben, was bereits in diesem oder im kommenden Jahr sichtbar werden könnte.
„Vielleicht gibt es bereits tieferliegende interne Ursachen, aber diese werden erst gegen 2026 deutlich.
Wir müssen diese Zeit einfach durchstehen“, betont er.
Der Soziologe hebt hervor, dass 69 % der Ukrainer die Beendigung des Krieges durch Verhandlungen unterstützen und dies einen Übergang von Euphorie zu Realismus bedeutet.
Bezüglich des Zustands der Gesellschaft nach einem Waffenstillstand gibt er zu, dass es schwer vorherzusagen ist, ob es eine Massenrückkehr der Ukrainer aus dem Ausland geben wird.
Etwa ein Drittel der Bevölkerung hatte geplant, in die Heimat zurückzukehren, und dieser Prozess werde einen bedeutenden Impuls für die Entwicklung des Landes geben.
Wenn die Ukraine bedeutende Unterstützung ihrer internationalen Partner bei der Wiederherstellung der zerstörten Wirtschaft erhält, könnte sie einen wirtschaftlichen Sprung nach vorne machen.
Der Soziologe erinnert daran, dass die Ukraine zuvor kein bedeutender Akteur in der internationalen Politik war — hauptsächlich bekannt für Tschernobyl und Korruption.
Heute hat sich das stark geändert.
Das Land hat an Subjektivität gewonnen und wird als wichtige Nation angesehen, vor allem von Gemeinschaften, die demokratische Prinzipien hochhalten.
Golovaha unterstreicht, dass die Ukrainer zunehmend ihre Bedeutung und Rolle auf der Welt erkennen, was die zukünftige Wiederaufbauarbeit und internationale Beziehungen maßgeblich beeinflussen wird.
Er warnt zudem vor inneren politischen Konflikten nach dem Krieg, vor allem während der nächsten Wahlen.
Es besteht auch eine weniger wahrscheinliche Möglichkeit, dass interne Konflikte sich verschärfen, wenn die internationale Unterstützung nachlässt.
In diesem Fall würde das Land vor großen Herausforderungen stehen, darunter steigende Armut, soziale Spaltungen und politische Unsicherheiten.
Abschließend weist er darauf hin, dass die meisten Ukrainer zwar noch vor einigen Jahren optimistisch hinsichtlich der Zukunft waren, doch aktuelle Umfragen zeigen, dass das Vertrauen in die langfristigen Aussichten gesunken ist.
Nur noch circa 43 % glauben, dass die Ukraine in zehn Jahren gedeihen wird, im Vergleich zu 88 % im Oktober 2022.
Fast die Hälfte fürchtet ökonomischen Zusammenbruch und Bevölkerungsrückgang.
Golovaha erklärt, dass die Mehrheit der Ukrainer taktisch pessimistisch, aber strategisch optimistisch sei.
Falls sich diese negativen Einstellungsmuster durchsetzen, wird es äußerst schwierig, Wirtschaft und Gesellschaft wiederaufzubauen.
Zudem wird betont, dass Russland die internen Spaltungen ausnutzen wird, um die Ukraine weiter zu destabilisieren.
Abschließend hebt der Soziologe die Bedeutung von Einigkeit und Widerstandskraft hervor, um eine stabile und wohlhabende Zukunft für die Ukraine zu sichern.