Neuer Richter am ukrainischen Verfassungsgericht ist ehemaliger OSZE-Vertreter und Menschenrechtsexperte

Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnete ein Dekret zur Ernennung von Oleksandr Vodiannikov zum Richter am ukrainischen Verfassungsgericht. Diese Entscheidung, die am 27. Juni auf der offiziellen Website des Staatsoberhauptes unter der Nummer 438 veröffentlicht wurde, ist von besonderer Bedeutung für die Beseitigung des Personalmangels und die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit dieser wichtigen Justizinstitution des Landes. Der Mangel an ausreichenden Richtern behindert seit langem die volle verfassungsmäßige Arbeit des Gerichts. Daher ist die Ernennung eines neuen Richters ein wichtiger Schritt zur Reform des Justizsystems. Oleksandr Vodiannikov ist ein ukrainischer Anwalt mit umfangreicher Erfahrung in den Bereichen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Während seiner Karriere war er in internationalen Strukturen tätig, insbesondere von 2014 bis 2022 als nationaler Rechtsberater bei den OSZE-Projektkoordinatoren in der Ukraine. In dieser Funktion unterstützte er das ukrainische Parlament, Regierungsstrukturen und Beratungsgremien in den Bereichen Justiz, Sicherheit und Menschenrechtsschutz rechtlich, förderte die Umsetzung europäischer Standards und unterstützte Reformprozesse. Nach Abschluss seiner Koordinatortätigkeit setzte Vodiannikov seine Zusammenarbeit mit der OSZE im Rahmen des Ukraine-Unterstützungsprogramms fort. Im November 2022 wurde er zum Senior Project Officer für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte ernannt. In dieser Position war er für die Entwicklung und Umsetzung zahlreicher Programme verantwortlich, ist Hauptkoordinator für die Organisation von Konferenzen, Seminaren und Runden Tischen und tritt regelmäßig als Redner auf internationalen Fachforen auf. Seine Expertise, seine Erfahrung im Umgang mit internationalen Standards und sein Streben nach Transparenz und Offenheit der Institutionen werden ihm in seiner neuen Tätigkeit als Richter sicherlich von Nutzen sein. In seinem Motivationsschreiben skizzierte Vodiannikov eine Reihe wichtiger Prioritäten, die er in seiner Arbeit als Richter am Verfassungsgericht erreichen möchte. Dazu gehören die Etablierung von Grundsätzen in der Verfassungspraxis, die Entwicklung eines effektiven Dialogs zwischen dem ukrainischen Verfassungsgericht und den Gerichten der allgemeinen Gerichtsbarkeit, die Einführung gendersensibler Ansätze, die Anhebung der berufsethischen Standards von Richtern und die Reform des Verfahrens zur Vorbereitung und Verabschiedung von Gerichtsentscheidungen. Besonderes Augenmerk will er auf die Erhöhung der Offenheit und Transparenz der Arbeit des Gerichts für Bürger und Gesellschaft legen, was für die Wiederherstellung des Vertrauens in das ukrainische Justizsystem von entscheidender Bedeutung ist. Die aktuelle Ernennung erfolgt im Kontext einer eklatanten Personalkrise, die die Arbeit des Verfassungsgerichts erheblich erschwert. Laut Daten vom Januar 2025 waren nur noch elf der erforderlichen 18 Richter im Amt. Dies bedeutet, dass das Gericht zumindest in seiner derzeitigen Zusammensetzung keine Sitzungen der Großen Kammer abhalten konnte – dem einzigen Gremium, das die wichtigsten verfassungsrechtlichen Verfahren behandelt. Der Verlust der Befugnisse des Zweiten Senats erschwerte die Situation zusätzlich, da die Justiz nur noch in Kammern und dem Ersten Senat arbeitete, der über individuelle Verfassungsbeschwerden entschied. Dieser Zustand rief scharfe Kritik von Experten und Reformern hervor, insbesondere von Karina Aslanyan vom Labor für Gesetzesinitiativen, die in ihrer Publikation „Wettbewerb um das Verfassungsgericht der Ukraine: (Un)gelernte Lektionen“ wiederholt die Notwendigkeit dringender personeller Veränderungen und systemischer Reformen in diesem Bereich betonte. Vor Wodjannikows Ernennung zum Richter kritisierten die Medien wiederholt die mangelnde Transparenz und die selektive Vorgehensweise bei der Bildung des Verfassungsgerichts. Der neue Richter ist einer der Autoren von Artikeln in „Dzerkal Tyzhnia“, und nach Beginn der umfassenden russischen Aggression in der Ukraine fanden seine Analysen zu Reparationszahlungen aus der Russischen Föderation breite Beachtung. Insbesondere lieferte er Expertengutachten zu den Mechanismen und Verfahren, um Russland zur Rechenschaft zu ziehen, und analysierte Fragen der Immunität der Gerichtsbarkeit sowie mögliche Wege der Schadensregulierung. Mit seiner langjährigen internationalen Erfahrung, seinem tiefen Verständnis des nationalen Rechtssystems und seinem Willen zu Reformen dürfte Oleksandr Wodjannikow ein wichtiger Bestandteil der Veränderungen im ukrainischen Verfassungsrecht werden. Seine Ernennung gibt Anlass zur Hoffnung auf eine vollwertige Wiederherstellung der Arbeit des Verfassungsgerichts und trägt zur Annäherung der Ukraine an europäische Rechtsstandards bei, was Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit im Staat gewährleistet.